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Interview mit SKGD-Vorsitzenden Rafał Bartek

Interview mit SKGD-Vorsitzenden Rafał Bartek


Mit Rafał Bartek, dem Vorsitzenden der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien sprach Joanna Hassa

– Wie sprechen Sie mit Ihren Kindern zu Hause?

– Deutsch.

– Was ist der Grund dafür?

– Ich weiß, wie viel es mir und auch meiner Frau bedeutet und welche Rolle es in unserem Leben spielt, dass wir beide Deutsch sprechen. Darum wollten wir das Erlernen der deutschen Sprache bei den Kindern nicht dem Zufall überlassen. Wir wollten es quasi von Anfang an bewusst beeinflussen und den Kindern auch die zweite Sprache mit auf den Weg geben.

– Wie würden Sie zukünftige Eltern dazu motivieren, ihre Kinder zweisprachig zu erziehen?

– In dem sie sich einfach die Kinder anhören, die selber zweisprachig aufgewachsen sind. Meine Töchter sind schon heute zufrieden, dass sie sowohl Polnisch als auch Deutsch beherrschen, sodass sie selber die beste Werbung für Zweisprachigkeit sind. Sie haben heute keine Probleme, sich in beiden Kulturkreisen zu bewegen. Die sehen Nachrichten, Folgen Youtuberinnen usw. in beiden Sprachen. Sie treffen sich mit Familienangehörigen in Polen und in Deutschland und haben dabei gar keine Kommunikationsschwierigkeiten. Es freut mich auch, dass sie auch immer besser die schlesische Mundart beherrschen – das ist mir nämlich auch wichtig. Nicht zu vergessen ist auch der Aspekt, dass sie viele Sachen, die rund um sie passieren, kritischer beobachten können, weil sie Nachrichten bzw. Impulse aus verschiedenen Kulturkreisen bekommen.

– Sie sind Vorsitzender der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen Minderheit im Oppelner Schlesien, der größten Organisation der Deutschen Minderheit in Polen. Seit wann sind Sie in den Strukturen der DMI aktiv? Was hat Sie dazu bewegt, sich zu engagieren?

– Ein genaues Datum kann ich heute gar nicht mehr nennen. Mitglied der SKGD war ich auf jedem Fall seit meiner Geburt. Das habe ich meinen Eltern zu verdanken. Meine Anfänge datiere ich auf die Zeit der Jahrtausendwende 1999-2000. Zu dieser Zeit hat mich der damalige DFK Vorsitzende Herr Josef Duda darauf angesprochen, ob ich denn nicht im DFK Vorstand aktiv sein möchte, und so hat alles begonnen. Dem Herrn Duda, der vor ein paar Jahren verstarb und Ehrenbürger der Gemeinde Chronstau ist, habe ich sehr viel zu verdanken. Er, aber auch viele andere Menschen, die ich dank Ihm kennenlernte, haben mir quasi gezeigt und bewusst gemacht, dass es sich lohnt, sich um das Erbe, aber auch um die Sprache und Kultur zu kümmern. Somit habe ich nach und nach die Menschen, Kultur und Deutsche Minderheit immer besser und tiefer kennen gelernt. Es ist immer mehr ein Teil von mir selbst geworden und weil ich immer davon ausgehe, dass begleiten und begutachten weniger bringt als gestalten, habe ich einfach nach Wegen und Gestaltungsmöglichkeiten gesucht. Dies alles wäre aber nicht möglich ohne den vielen, tollen Menschen, die ich unterwegs treffen konnte. Ich habe das Glück, dass ich mit einem Teil von ihnen heutzutage zusammenarbeiten darf.

– Die ersten Organisationen der Deutschen Minderheit wurden vor 30 Jahren gegründet. Wie hat sich die Gesellschaft seitdem geändert?

– Die Ziele der Gesellschaft ändern sich nicht, aber die Menschen und die Umsetzungsmethoden der Ziele schon. Es bricht mehr und mehr die Erlebnissgeneration weg, also die Menschen, die ähnlich wie meine Eltern noch in Deutschland geboren wurden und unsere Aufgabe ist es, das Erbe, was sie uns überlassen haben, zu pflegen und an die nächsten Generationen weiter zu geben. Es hat sich politisch um uns herum auch sehr vieles geändert. Vor 30 Jahren war Polen kurz nach dem demokratischen Umbruch, jetzt ist Polen schon seit 16 Jahren in der EU, die Grenzen sind offen. So gesehen ist Europa „kleiner“ geworden und vieles, worum die Gründer der DMI „gekämpft“ haben, ist zur Selbstverständlichkeit geworden. Eines bleibt aber – die Wiederbelebung der deutschen Sprache, Kultur in den Regionen, wo die Deutschen leben, ist eine Herausforderung und Aufgabe für die Gegenwart sowie Zukunft.

– Ich kann mich noch erinnern, als ich vor 12 Jahren angefangen habe, mich aktiv beim BJDM zu engagieren, es Stimmen gab, dass die deutsche Minderheit in 10 Jahren nicht mehr existieren wird. Jetzt sind die 10 Jahre um, die DMI ist weiterhin präsent. Was denken Sie, wie wird die deutsche Minderheit in den nächsten 10 Jahren aussehen und sich entwickeln?

– Ich bin kein Hellseher und weiß es nicht. Jedoch bin ich mir bewusst, dass es von Menschen abhängen wird, die wir für die Belangen der DMi gewinnen werden oder auch nicht. Deshalb ist es auch wichtig, dass wir mit jungen Menschen im Gespräch bleiben, dass wir auch keine Angst vor Veränderungen haben. Denn Veränderungen bedeuten auch meistens Fortschritt und bringen neue Menschen sowie Ideen mit sich.

– Was sind die größten Herausforderungen der Deutschen Minderheit?

– Aus meiner Sicht ist und bleibt es – die Bildung und Medien. Die Bildung, weil wir immer noch ein großes Sprachproblem innerhalb der deutschen Minderheit haben, den die jetzige Qualität des Deutschunterrichts an den öffentlichen Schulen leider nicht ausgleichen wird. Dazu kommen auch noch laufende Probleme wie z. B. die ungünstige Interpretation des Bildungsministeriums in Bezug auf den Unterricht in deutscher Sprache, die dazu führt, dass es in den Klassen 7. und 8. noch weniger Deutschstunden gibt als bisher. Medien, weil sie eine immer größere Rolle in unserem Leben spielen. Wir sind durch die sozialen Netzwerke, durch die vielen Kanäle, die uns zur Verfügung gestellt wurden, alle zu Medienmenschen geworden. Früher war es einfacher, die Menschen durch einen Artikel in der Zeitung oder durch ein Schreiben zu erreichen. Jetzt ist man gezwungen, über verschieden Kommunikationswege nachzudenken.

– Was ist Ihrer Meinung nach die größte Herausforderung eines Mitgliedes der Deutschen Minderheit, sich als ein Deutscher in der Öffentlichkeit zu bekennen?

– Man muss das Selbstwertgefühl entwickeln. Wenn ich mir selber bewusst bin, was für einen Mehrwert es für mich bedeutet, dass ich in zwei oder vielleicht sogar drei Kulturen aufgewachsen bin, dass ich zwei oder sogar drei Sprachen (wenn man Schlesisch berücksichtigt) beherrscht oder sie zumindest versteht, dann wird man keine Probleme damit haben, nach außen zu treten und offen dazu zu stehen. Probleme gibt es dann, wenn wir uns für unsere Herkunft, unsere Sprache usw. schämen. Eine lange Zeit hat man den Schlesiern hier bewusst machen wollen, dass man sich eben für die Sprache und Herkunft schämen sollte. Auch heute gibt es immer wieder Menschen, Politiker, die uns einreden wollen, dass nur diejenigen etwas Wert sind, die Polen sind und perfekt polnisch sprechen. Europa zeigt uns aber was anderes und die Globalisierungsprozesse tragen dazu bei, dass nicht das interessant ist, was einheitlich ist, sondern das, was anders ist, was den Unterschied ausmacht!

Wie wird momentan die deutsche Minderheit durch die polnische Mehrheit wahrgenommen?

– Unterschiedlich, so wie die Menschen verschieden sind. Es gibt natürlich Menschen, die uns eine Ausreise wünschen und, die mit uns nichts anfangen können, aber aus meiner Sicht sind es eher Randerscheinungen. Dann gibt es Menschen, die keine konkrete Meinung über uns haben und wenig über uns wissen. Darüber hinaus gibt es aus meiner Sicht eine wachsende Anzahl von Polen, die uns kennen lernen möchten, die offen gegenüber unserer Kultur und Sprache sind. Das was uns aber fehlt, ist die Bildung über unsere Geschichte und Identität, denn ich bin mir sicher, dass wir gemeinsam noch viel mehr bewirken könnten, wenn wir uns besser kennen würden. Dazu fehlt es aber z. B. total an Regionalkundeunterricht an den Schulen. Dieser von den Inhalten her zentralgesteuerter Unterricht hat sehr oft mit der Geschichte und Gegenwart der Region nichts zu tun. So erfahren die Kinder vieles über Warschau, aber kaum etwas über Oberschlesien.

– Die deutsche Minderheit ist in unserer Region auch politisch aktiv. Wieso engagieren sich Mitglieder der Deutschen Minderheit auch in die Politik?

– Ich denke, es war eine bewusste, schlesische Entscheidung, nicht nur zuzuschauen, aber auch gestallten zu wollen. Die Selbstverwaltungspolitiker damals und heute sind offene Menschen, die nicht warten wollen, bis man ihnen nur was schenkt. Sie wollen auch selbst das Ruder in die Hand nehmen und mitanpacken. Es ist auch richtig so, denn lange genug hat man versucht, den Menschen hier in der Region zu sagen, dass die von außen, die bewusst sehr oft hierher geschickt wurden, es besser wissen und machen werden. Die Erfahrung hat an vielen Stellen gezeigt, dass es nicht so war und, dass niemand besser unser Dorf, unsere Gemeinde, unseren Kreis sowie Woiwodschaft gestalten kann als wir selber. Deshalb finde ich es persönlich auch so schade, dass unser Land unter der aktuellen Regierung immer zentralistischer wird. Es ist schade, denn das wirkliche Entwicklungspotential liegt eben in den Menschen, die vor Ort leben. Denen muss man nur Gestaltungsinstrumente in die Hand geben.

– Die Kampagne heißt „Deutsche Minderheit hat Wert“. Was heißt das für Sie genau?

– Die deutsche Kultur, Sprache und Geschichte der Region hat Wert. Menschen, die sich darum kümmern, sowohl Deutsche selber als auch Polen, haben Wert.

– Kennen Sie sich die Woiwodschaft Oppeln ohne deutsche Minderheit vorstellen?

– Nein, ich kann es mir nicht vorstellen, denn dann würde ein Alleinstellungsmerkmal dieser Region einfach fehlen. Leider verstehen es viele Menschen nicht, dass es hier in der Region in unserem gemeinsamen, deutsch-polnischen Interesse ist, das Erbe dieser Minderheit zu pflegen.

– Was ist Ihr Lieblingsprojekt der DMI, oder auf welches Projekt warten Sie?

– Hmm, es gibt viele Projekte, die mir ans Herz gewachsen sind – Kulturgruppen, Orchester, Sprachprojekte und da möchte ich gar nicht eins hervorheben, denn jede dieser Initiativen, die einen Betrag zu Erhaltung der deutschen Sprache und Kultur leistet, bedeutet eine Freude für mich. Worauf ich warte? Auf das Dokumentations- und Ausstellungzentrum der Deutschen in Polen mit Sitz in Oppeln.