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Gespräch mit Magdalena Lemańczyk

Gespräch mit Magdalena Lemańczyk


Mit Magdalena Lemańczyck, der Mitautorin der Publikation „Die Deutsche Minderheit in der Woiwodschaft Oppeln als Mehrwert“ sprach Joanna Hassa.

„Die Deutsche Minderheit in der Woiwodschaft Oppeln als Mehrwert“ lautet der Titel der Publikationen zu durchgeführten soziologischen Forschungen unter Angehörigen der Deutschen Minderheit, deren Mitautorin Ihre Person und Dr. Mariusz Baranowski sind. Worum genau ging es bei den Forschungen und wie wurden sie durchgeführt?

Die Studie wurde im Auftrag der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien im Rahmen des Projekts „Deutsche Minderheit hat Wert“ vorbereitet und durchgeführt. Unter Berücksichtigung der Projektbedingungen und methodologischer Ansätze, verwendeten wir für diese Forschung einen Fragebogen. Die Umfrage wurde im Zeitraum von Juni bis August 2019 ausschließlich in der Woiwodschaft Oppeln unter den Mitgliedern ausgewählter lokaler Organisationen (DFK) der SKGD im Oppelner Schlesien durchgeführt.

Die Untersuchung bezog sich auf die Wahrnehmung der Befragten hinsichtlich sozialer, kultureller und wirtschaftlicher Aspekte der Funktionsweise der Deutschen Minderheit als Organisation und soziale Gruppe sowie Lebensbedingungen der Gruppe in der polnischen Gesellschaft. Einerseits haben wir gezeigt, was es bedeutet, eine Minderheit zu sein und sich als solche zu fühlen und andererseits, was es bedeutet, mit einer Minderheit zu leben. Ziel des Projekts und der Forschungsarbeit war auch die Möglichkeit, die Ergebnisse in der Praxis anzuwenden. Das Hauptziel der Forschung war die Beantwortung der Grundfrage: Ob die deutsche Minderheit in der Woiwodschaft Oppeln in den Augen ihrer Mitglieder einen  „Mehrwert“ darstellt?

Unsere Studie konzentrierte sich auf drei Forschungsproblemen, nämlich die aktuelle Funktion der deutschen Minderheit, Fragen der nationalen Identität und die Dimensionen der Wahrnehmung der Minderheit durch ihre Mitglieder als einen Wert.

Die Untersuchung sollte zeigen, was die Vertreter der deutschen Minderheit über sich als soziale Gruppe denken. Wie sieht also das Bild der deutschen Minderheit in Augen ihrer Mitglieder aus?

Das Bild der deutschen Minderheit als eigene Gruppe war eines unserer Forschungsgebiete. In Augen der Befragten gestalte sich dieses im Allgemeinen positiv. Hinter dieser oberflächlichen Aussage verbergen sich jedoch Details, die zu tieferem Nachdenken, zu einem Blick auf die Phänomene aus einer etwas anderen Perspektive und zur Umsetzung notwendiger Lösungen durch die SKGD in naher Zukunft führen. Am sichtbarsten ist das Missverhältnis zwischen den hohen Bewertungen der Bedeutung und Aktivitäten der sozial-kulturellen Organisation der Deutschen Minderheit in der Woiwodschaft Oppeln und der durchschnittlichen Bewertung der Position der deutschen Minderheit im Vergleich zu anderen Nichtregierungsorganisationen in der Region. Durchschnittlich ist auch die Bewertung der Meinungen von Befragten über das Interesse der breiteren Gesellschaft an kulturellen Initiativen der deutschen Minderheit. Im Allgemeinen ist das Bild der eigenen Gruppe in den Augen der Angehörigen der deutschen Minderheit viel besser als die Meinung darüber, wie sie von der Gesellschaft von außen wahrgenommen werden. Erwähnenswert ist auch die Identitätsdimension des Gruppenbilds, die sich aus dieser Studie ergibt, nämlich der Einfluss positiver Bewertungen von Aktivitäten innerhalb der Strukturen der deutschen Minderheit auf das Gefühl der deutschen Nationalidentität. Diese Vorteile werden von den Befragten in erster Linie in sozialen Kategorien behandelt, als ein Wert an sich und nicht rein utilitaristisch. Dies ist z. B. die Nutzung der Aktivitäten im DFK für zwischenmenschliche Kontakte, Steigerung des Bewusstseins für das deutsche Erbe der Region und Unterstützung der deutschen Nationalidentifizierung.

Der Titel verweist auf die Deutsche Minderheit als einen Mehrwert. Auf welcher Grundlage können wir feststellen, dass die DM tatsächlich einen Mehrwert für diese Region darstellt?

Der Begriff „Mehrwert“ wurde in der Studie hauptsächlich auf der soziokulturellen und politischen Ebene, nicht im wirtschaftlichen Sinne betrachtet. Sofern den letztgenannten Aspekt Wissenschaftler untersucht haben, wurde das soziale Ausmaß in soziologischen Forschungen ausgelassen oder eher nicht berücksichtigt. Daher sollte man hervorheben, was auf den ersten Blick sowohl von der breiteren Gesellschaft als auch von den Mitgliedern der deutschen Minderheit selbst nicht wahrgenommen wird (oder ihnen nicht bewusst ist). Es ist nämlichTatsache, dass die Tätigkeit der deutschen Minderheit auf der Grundlage ihres eigenen sozialen und kulturellen Potentials vielschichtig zum Funktionieren der Region Oppeln beiträgt. Ein anderer Aspekt, den wir aufgrund der Untersuchungsart nicht berücksichtigt haben, wäre der Versuch einer tiefgründigen Diagnose der messbaren Vorteile, die von deutschen Minderheiteninstitutionen für die Woiwodschaft Oppeln geleistet werden. Dies ist eine Aufgabe für Ökonomen, deren Voruntersuchungen bestätigt haben, dass die deutsche Minderheit als gemeinnützige Nichtregierungsorganisation nicht standardisierte Ziele für die Wirtschaft realisiert und somit einen „Mehrwert“ im Sinne der breit verstandenen Kultur, Bildung und Wirtschaft der Region generiert. Die bisherigen Studien über den Einfluss des ethnischen Faktors auf die Entwicklung der Woiwodschaft Oppeln haben auch gezeigt, dass die deutschen Minderheitenorganisationen ein bedeutendes, wenn auch nicht völlig ausgeschöpftes Entwicklungspotenzial der Woiwodschaft darstellen. Deshalb haben wir in unserer Forschung versucht, solche Ausmaße der Funktionsweise der deutschen Minderheit zu berücksichtigen, die sich auf soziale und kulturelle Potentiale beziehen, vor allem im Bereich der Wahrnehmung von Werten, der ethnischen Organisationsaktivität sowie Wahrnehmung ausgewählter Elemente der Umsetzung von Minderheitenrechten, usw. Auf dieser Grundlage wurde eine Fallstudie erstellt, die zeigt, in welchen Bereichen und auf welcher Ebene die deutsche Minderheit in den Augen der Befragten einen Mehrwert darstellt.

Die letzte Studie über die Deutsche Minderheit wurde 2010 von Dr. Danuta Berlińska durchgeführt. Können wir Ihre Forschung mit der von Dr. Berlińska vergleichen? Welche Unterschiede sehen Sie? Hat sich in den letzten 10 Jahren überhaupt etwas geändert?

Die Möglichkeiten des direkten Vergleichs sind sehr begrenzt, da die Studie von Dr. Berlińska auf einer anderen Methodik basierte, die Annahmen und Ziele anders waren und schließlich ein anderer Forschungsversuch unternommen wurde. Während der Vorbereitung unserer Forschung haben wir jedoch bis zum gewissen Grad auf ausgewählte Fragen aus dem Bericht von Dr. Berlińska zurückgegriffen, z. B. Fragen über die nationale (und / oder regionale) Identität, Muttersprache, Sprache, die zu Hause benutzt wird, Diskriminierungsfragen oder Staatsbürgerschaft. Unsere Forschung zeigt vor allem progressive Trends in der nationalen (und / oder regionalen) sowie sprachlichen Identität auf, die in der Forschung von Dr. Berlińska und anderen Forschern vorkommen. Wir fanden zum Beispiel heraus, dass unter den Befragten die schlesische Identität dominiert, gefolgt von der deutschen Identifikation im nationalen Sinne. Der dominierende Prozentsatz der schlesischen Identifizierung entspricht dem dominierenden Prozentsatz der Personen, die den schlesischen Ethnolekt als Muttersprache angeben, für die es gleichzeitig die am häufigsten im Hauskontakt verwendete Sprache ist. Auf der anderen Seite ist Deutsch im Vergleich zu Polnisch die Muttersprache einer kleineren Gruppe von Befragten und wird auch zu Hause seltener verwendet. In dieser Hinsicht weisen die Forschungsergebnisse von Dr. Berlińska auf Ähnlichkeiten, aber auch auf Unterschiede hin. Während nämlich ein Jahrzehnt zuvor der schlesische Ethnolekt die Muttersprache war und gleichzeitig von der Mehrheit der Befragten zu Hause am häufigsten verwendet wurde, war Deutsch im Vergleich zu Polnisch für einen größeren Prozentsatz der Befragten die Muttersprache oder Sprache, die zu Hause verwendet wurde. Darüber hinaus wird trotz der Kenntnis der deutschen Sprache von der Mehrheit der Befragten die fließende Beherrschung oder gute Sprachkenntnisse von weniger als der Hälfte der Befragten angegeben. Die Mehrheit der Befragten hat schwache oder passive Deutschkenntnisse angegeben. Auch in dieser Hinsicht ist im Vergleich zur Umfrage von Dr. Berlińska ein Generationswechsel bemerkbar, da ein Jahrzehnt zuvor die Mehrheit der Befragten fließend oder gut Deutsch gesprochen und geschrieben hat.

Gibt es etwas, das Sie bei den Ergebnissen überrascht hat?

Überrascht vielleicht nicht, aber es hat vor allem in zwei Bereichen zum Nachdenken gebracht. Einer davon ist die Bewertung des Ansehens der Gruppe. Die Ergebnisse der Untersuchung deuten darauf hin, dass die Mehrheit der Befragten von den Möglichkeiten eines tatsächlichen Einflusses der deutschen Minderheitenorganisationen auf verschiedene Lebensbereiche in der Woiwodschaft Oppeln überzeugt ist. Eine detaillierte Analyse der Antworten zeigt jedoch, dass die Bewertung dieses Einflusses in bestimmten Tätigkeitsbereichen durchschnittlich oder negativ ausfällt. Auch hier geht es um Details. Durchschnittliche Einschätzungen der wichtigsten, satzungemäßen Aktivitäten der deutschen Minderheit, d. h. Einflussmöglichkeiten in den Bereichen Kultur, Bildung, Regionalpolitik, Gedenktätigkeit, regionale Wirtschaft und Minderheitenmedien, sowie negative Einschätzungen hinsichtlich der Auswirkungen auf Infrastrukturinvestitionen regen zum Nachdenken über das gegenseitige Zusammenspiel vom Image und Ansehen der Gruppe innerhalb und außerhalb der Volksgruppe an. Das hat auch identitätsstiftende Konsequenzen – allgemeiner ausgedrückt, kann eine Senkung des Gruppenprestiges zu einem Rückgang der deutschen Identität oder des Interesses an der deutschen Kultur und Sprache zugunsten z. B. der schlesischen Identifizierung und des schlesischen Ethnolekts führen, obwohl dies nicht die Regel sein muss. Der zweite erwähnenswerte Bereich, der durch die Forschungsergebnisse bestätigt wurde, ist das unbewusste kulturelle Potential der deutschen Minderheit in den Meinungen der Befragten, wobei die kulturellen Aktivitäten der deutschen Minderheit als Organisation insgesamt positiv bewertet werden. Damit meine ich eine Reihe soziokultureller Kompetenzen, die durch die Zugehörigkeit zu den Strukturen der deutschen Minderheit und die Teilnahme an Projekten geformt bzw. zum Ausdruck gebracht werden, wie z. B. Kenntnisse der deutschen Sprache, Fähigkeit der Arbeit in der Gruppe, Vorbereitung und Durchführung von Projekten, Bühnenpräsenz (schauspielerische, musikalische), Arbeit für die lokale und regionale Gemeinschaft und schließlich eine entwickelte soziale Sensibilität. Dabei handelt es sich um Kompetenzen, die derzeit auf dem Arbeitsmarkt gesucht, aber von den Befragten nicht berücksichtigt werden. Es genügt zu sagen, dass viele Mitglieder diese Kompetenzen in ihrem Berufsleben nutzen und häufig eigene Unternehmen in der Region betreiben. Daher bringt das auch für die Woiwodschaft messbare Vorteile mit sich. Es handelt sich jedoch um ein Thema, dass weiterhin einer vertiefter Forschung sowie dynamischer Förderung seitens der deutschen Minderheit bedarf.